Bernd Riexinger fordert im Handelsblatt die Renaissance der gesetzlichen Rentenversicherung

25. August 2013  Meldungen

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Riexinger fordert von Gauck mehr Einsatz für Rentner

Berlin

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hat sich für eine Renaissance der gesetzlichen Rente ausgesprochen und setzt dabei auf die Unterstützung von Bundespräsident Joachim Gauck. Es drohe eine Lawine der Altersarmut. „Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass die private Altersvorsorge am Ende ist. Die Krise war der erste Stoß, die Niedrigzinspolitik der EZB wird der Todesstoß“, sagte Riexinger Handelsblatt Online. Nötig sei „eine Renaissance der gesetzlichen Rente“.

Wenn Sie den ganzen Artikel lesen, sehen Sie auch die Ausführungen des Handelsblatts zur „Rente erst ab 67“. Und dazu einen Kommentar von Stefan Dreher.

Es dürfe keine Kürzungen geben, die richtige Antwort wäre daher eine Rentenverfassung, sagte Riexinger weiter. Die wesentlichen Eckpunkte der solidarischen Rentenversicherung sollten ins Grundgesetz geschrieben werden. „Wenn die Verfassung das Rentenniveau, die Mindestrente und das Renteneintrittsalter garantiert, dann kann nicht mehr jede Regierung an der Rente herum murksen. Das bringt mehr soziale Sicherheit“, sagte der Linksparteichef. Die Debatte müsse in der nächsten Legislatur geführt werden. „Es wäre gut, wenn sich Gauck auf die Seite der Rentner stellt“, so Riexinger.

Rentensaetze
Laut der „Bild am Sonntag“ hält Gauck die materielle Situation der aktuellen Rentnersituation für gut. „Der größte Teil der Rentner in Deutschland ist heute – gerade auch im internationalen Vergleich – recht umfassend abgesichert: Das verdankt sie ihrer eigenen Leistung und der Leistung aller in unserer solidarischen Gesellschaft“, sagte Gauck in der Wochenzeitung auf Fragen von Bürgern. Dies „sollten wir zunächst einmal anerkennen“, so der Bundespräsident.

Anders äußerte sich Gauck über die Situation der künftigen Rentnergeneration. „Ich weiß, dass sich viele Menschen – alte und junge – berechtigte Sorgen darüber machen, wie es künftig um unsere Renten stehen wird.“ Das hänge von der Wirtschaftskraft, von Arbeitsplätzen und Löhnen und der Anzahl der Menschen mit sozialversicherungspflichtiger Arbeit ab. „Diese Fragen betreffen auch die Jungen von heute. Auch sie haben Anspruch auf einen abgesicherten Ruhestand“, so Gauck.

In ihrer Samstagsausgabe hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, dass die „eiserne Reserve“ der Rentenkasse auf Rekordniveau bleibt. Dem Bericht zufolge lagen Ende Juli 28,24 Milliarden Euro in der sogenannten Nachhaltigkeitsrücklage, obwohl der Rentenbeitrag zum Jahresbeginn von 19,6 auf 18,9 Prozent gesenkt wurde. Das waren drei Milliarden Euro mehr als im Juli des Vorjahres und der höchste Juli-Stand seit Jahrzehnten, schreibt das Blatt.

Die Rücklage würde für 1,59 Monatsausgaben der Rentenkasse reichen. Eine weitere Senkung des Rentenbeitrags auf 18,4 Prozent zum Jahresbeginn 2014 wird laut „Bild“ damit immer wahrscheinlicher. Laut Gesetz muss der Rentenbeitrag gesenkt werden, wenn die Rücklage zum Jahresende mehr als 1,5 Monatsausgaben beträgt.

Das Handelsblatt erklärt:

Rente mit 67 – was sich dahinter verbirgt

Wie sieht der Stufenplan zur Rente mit 67 aus?

Das Regelalter für die abschlagsfreie Rente steigt von derzeit 65 Jahren anfangs in Schritten von einem Monat, in der zweiten Phase in Zwei-Monats-Schritten. 2029 ist die Anhebung auf 67 Jahre erreicht. Die erste Anhebung um einen Monat im nächsten Jahr trifft den Geburtsjahrgang 1947. Jene also, die im Laufe der kommenden zwölf Monate 65 werden. Der erste Jahrgang, der für die volle Rente bis 67 arbeiten muss, ist der Geburtsjahrgang 1964.

Warum wurde die Rente mit 67 beschlossen?

Aus demografischen Gründen: Weil die Bundesbürger immer länger leben und daher immer länger Rente beziehen. Und weil zugleich die Zahl der Beitragszahler schrumpft. Die Rente mit 67 soll hier für neue Balance sorgen.

Mit welcher demografischen Entwicklung ist zu rechnen?

Bis zum Jahr 2030 wird sich der Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland weiter deutlich verändern. Die Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen – das sind die Erwerbsfähigen – schrumpft nach den Prognosen um fünf Millionen auf dann rund 45 Millionen. Im selben Zeitraum nimmt die Zahl der Menschen über 65 um gut sechs auf 22 Millionen zu. Mit anderen Worten: Kamen vor 20 Jahren noch vier Erwerbsfähige auf einen Rentner, so wird sich das Verhältnis im Jahr 2030 voraussichtlich auf 2:1

Wie hat sich die Rentenbezugsdauer entwickelt?

Sie hat sich in den vergangenen 40 Jahren deutlich erhöht: Ein durchschnittlicher West-Ruheständler bezog 1970 noch 11,1 Jahre Rente. 2010 waren es bereits 18,4 Jahre. Im Osten Deutschlands nahm die Rentenbezugsdauer im Schnitt zwischen 1995 und 2010 von 16 auf 18,9 Jahre zu (frühere Zahlen für Ostdeutschland liegen nicht vor).

Was soll die Rente mit 67 finanziell bewirken?

Sie soll die Rentenkassen langfristig entlasten, den Anstieg des Beitragssatzes abmildern und damit die Rentenversicherung zukunftsfest machen. Weil es Ausnahmen für Versicherte mit mindestens 45 Beitragsjahren gibt (sie können weiterhin mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen), ist aber nur eine bescheidene Entlastung zu erwarten: Experten gehen davon aus, dass die Rente mit 67 die Beitragszahler 2030 um 0,5 Prozentpunkte jährlich – nach heutigen Werten sind das etwa 5,5 Milliarden Euro – entlasten kann. Bis dahin ist ein Beitragssatzanstieg auf maximal 22 Prozent (2012: 19,6 Prozent) einkalkuliert.

Ist die Rente mit 67 ein Rentenkürzungsprogramm?

Die Kritiker sagen: „Ja“ – und verweisen darauf, dass schon heute die Mehrzahl der Beschäftigten mit Abschlägen in Rente gehen. 2010 waren das immerhin knapp 58 Prozent aller Neurentner. Aus Arbeitslosigkeit kamen zuletzt 16 Prozent.

Wie ist das mit den Renten-Abschlägen?

Für jeden Monat, den man vor der Regelaltersgrenze in Rente geht, werden vom Rentenanspruch 0,3 Prozent abgezogen, und zwar lebenslang. Ein Beispiel: Wer 1955 auf die Welt kam, der kann 2020 erst mit 65 Jahren und neun Monaten ohne Abschläge in Rente gehen. Ein vorzeitiger Rentenbezug mit 63 Jahren – also 33 Monate vor der Regelaltersgrenze – führt zu einer Rentenkürzung von 9,9 Prozent (33 x 0,3 Prozent).

Kommentar von Stefan Dreher

Soso, die Rente mit 67 wurde also aus demografischen Gründen beschlossen . . .

Das ist gelinde gesagt gequirlter Schwachsinn!
Diese Argumentation blendet aus, dass Deutschland eine dynamische Volkswirtschaft ist: Wenn man auch das Krisenjahr 2009 mit einbezieht, wächst das Bruttoinlandsprodukt jährlich im durchschnitt um ca. 1,4 Prozent. Der Kuchen wird größer. Gleichzeitig – und zwar völlig unabhängig davon, wie viele Menschen diesen Kuchen erarbeiten – schrumpft die deutsche Bevölkerung. Größerer Kuchen, weniger Esser.
Was sagt die „schwäbische Hausfrau“ dazu? Richtig: für jeden bleibt ein größeres Stück. Und wiederum richtig: Die Produktivität wächst so stark, dass mit immer weniger produktiv arbeitenden Menschen immer mehr Reichtum erzeugt wird. Diese neoliberalen Volksverdummer lassen den Faktor Produktivität grundsätzlich weg.
Ich frage also: Warum labert man dann vom demografischen Problem? Das Problem, das ich sehe, ist ein Problem der Verteilung!

Soso, die Rente mit 67 bewirkt einen Rentenbeitrag von 0,5 % mehr . . .

Da sage ich doch ein herzliches „Na und?“ Das sind bei brutto 4.000 Euro im Monat gerade mal zehn Euro (Da kenne ich Kneipen, da kriegt man noch nicht mal drei Halbe dafür). Und für zehn Euro pro Monat mehr könnte man mit 65 abschlagsfrei (da geht es aber schon um 7,2 %) in Rente gehen. Und bei brutto 1.800 sind’s 4,50 mehr.

Diese 0,5% nutzen lediglich den Arbeitgebern, damit sie angeblich „international konkurrenzfähig“ bleiben:

Mal angenommen, eine E-Klasse kostet 50.000 Euro. Mal angenommen, davon sind 10 % Lohnkosten. Dann kostet der Lohn 5.000 Euro. Mal angenommen, man würde auf die Rente mit 67 verzichten, dann wären das für den Arbeitgeber mehr Kosten von (nur Arbeitgeberanteil) 0,25 % . . . dann wären das nominal 12,50 Euro. Na da wird doch jedem klar, dass eine E-Klasse, die dann 50.012,50 Euro kostet, also 12,50 mehr als vorher, international nicht mehr konkurrenzfähig ist! Hunderttausende von Arbeitsplätzen wären in Gefahr . . .

Tja: eben auch nur gequirlter Schwachsinn.

Tatsache jedoch: Bei 40.000 Beschäftigten bei Daimler, Sindelfingen, ist der Verzicht auf die Rente mit 67 der Wegfall eines Sondergewinns von 5,4 Millionen Euro. Vielleicht liegt darin der Grund, warum die Rente mit 67 so vehement verteidigt wird: Es geht um die Verteilung von Geld, von erarbeitetem Reichtum.

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