Parteivorstandsbeschluss: Schritt für Schritt zum kostenfreien ÖPNV

21. August 2019  Meldungen, Parteivorstand
Beschluss des Geschäftsführenden Parteivorstandes vom 12. August 2019

Wir begrüßen diesen Beschluss.  Auch weil hier die Finanzierung mitbedacht wurde. Ferner ist ein zeitlicher Stufenplan zumindest mal ein Fortschritt gegenüber den sonst meist nur als Endziel formulierten Forderungen wie „sofortiger Ausstieg“ etc.
Wir begrüßen also auch die formal neue Qualität des Beschlusses.
Dennoch haben wir diverse Kritikpunkte. Die stehen bei den Kommentaren unten. Alöle sind aufgefordert, mitzudiskutieren.

Hier jedoch erstmal der Text:

Schritt für Schritt die Fahrpreise senken, bis hin zu kostenlosem Nahverkehr, zuerst bei finanzschwachen, bei gleichzeitigem Ausbau des Nahverkehrsnetzes: Das ist das Konzept, dass die Rot-Rot-Grüne

Nicht nur die SUVs im Fokus der Kritik

Landesregierung in Berlin verfolgt. Ein Vorbild für ganz Deutschland, sagt DIE LINKE. Die Schäden, die der motorisierte Individualverkehr an Mensch, Umwelt und öffentlichen Kassen verursacht, wollen wir nicht weiter hinnehmen, gerade angesichts der nahenden Klimakatastrophe.

Dafür brauchen wir einen erheblichen Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs in den Kommunen und Verkehrsverbünden. Wir wollen eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum durch Anbindung mindestens im Stundentakt, Ausbau von Bussen, Bahn und Anruf-Sammeltaxis. Wir brauchen eine Abkehr von der Sackgasse der Auto-Gesellschaft und bezahlbare Mobilität für alle BürgerInnen, auch im ländlichen Raum.

Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung (71%) wollen einen kostenfreien ÖPNV, über 90% befürworten eine Senkung der Bahnpreise. Das ist aus sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Gründen sinnvoll, und auch in fünf Jahren möglich und gerecht finanzierbar.

Erster Schritt: Sofort das „Berliner Modell“ für kostenfreie SchülerInnen-Tickets bundesweit einführen. Und dann in 5 Jahren deutschlandweit zum ticketfreien und kostenlosen ÖPNV. Der notwendige Weg lässt sich in drei Phasen unterteilen:

  1. Ab sofort: Kostenfreier Nahverkehr für ausgewählte Gruppen und Ausbau der Infrastruktur
    1. Berliner Modell bundesweit!
      DIE LINKE hat in der Berliner Landesregierung durchgesetzt, dass Monatstickets schrittweise für immer mehr Bevölkerungsgruppen günstiger und für alle SchülerInnen ab dem 1. August kostenfrei werden. Das unterstützt Familien mit geringeren Einkommen, schafft klimafreundliche Mobilität und mehr Spaß in der Freizeit. Diesen Weg müssen wir bundesweit gehen, Schritt für Schritt. Bis zum 1. Januar 2022 wollen wir soweit sein, dass alle Personen bis 18 Jahren, SchülerInnen, RentnerInnen, Azubis und Hartz-4-EmpfängerInnen kostenfrei fahren. Die Einnahmeausfälle von ca. 2 Mrd Euro zu diesem Zeitpunkt übernimmt der Bund vollständig.
    2. Gesundheitsschutz geht vor!
      Los geht’s mit Modellprojekten für kostenfreien ÖPNV in 15 Städten, die von besonders hoher Feinstaub- und CO2-Belastung betroffen sind. Sie erhalten vom Bund 90% Förderung für die Einführung eines kostenfreien ÖPNV für alle. Das Personenbeförderungsgesetz wird dahingehend angepasst, dass auf kommunaler Ebene mehr unkonventionelle Projekte ausprobiert werden können und die Kriterien „gute Arbeit“ und „bessere Bezahlung“ aufgenommen werden. Die Modellprojekte werden wissenschaftlich begleitet. Nach einem Jahr finden erste Evaluationen statt.
    3. Bus und Bahn fit machen!
      Investitionen von 10 Mrd. jährlich in bundesweite Sofortmaßnahmen für Ausbau und Verbesserung der Qualität der Mobilitätsinfrastruktur von Bus und Bahn, Reaktivierung und Neueinrichtung von Verbindungen, Erhöhung der Taktzahlen, mehr Personal, Weiterqualifizierung und bessere Bezahlung, Verknüpfung mit intelligenter Mobilität (car-sharing etc.). Besondere Schwerpunkte sind dabei ländliche und strukturschwache Regionen sowie Metropolregionen mit vielen PendlerInnen.
  2. Phase, ab 2022: Weitere Ausweitung des kostenfreien ÖPNV, bis hin zum ticketfreien Nahverkehrs für alle.
    1. Bis 2025 können die Kommunen bei EinwohnerInnen ohne Ermäßigungs­berechtigung eine ÖPNV-Abgabe erheben, die nicht höher als 60 Euro/Jahr liegen darf. Die Differenz zu den wegfallenden Einnahmen wird vom Bund zu 90% getragen. Die Kosten liegen in diesem Zeitraum geschätzt bei 7 Mrd. jährlich für den Ausbau und 8 Mrd. jährlich für den Ausgleich wegfallender Einnahmen.
  3. Phase ab 2025: Ticketfreier ÖPNV, flächendeckend, für alle.
    1. Wegfall der ÖPNV-Abgabe, Wegfall des Ticketverkaufs und folgerichtig der Ticketkontrollen, 100% Refinanzierung durch den Bund. Die Kosten liegen in diesem Zeitraum geschätzt bei 3-6 Mrd. jährlich für den Ausbau und 12 Mrd. jährlich für den Ausgleich wegfallender Einnahmen.

 

Realistisch und gerecht finanziert.

Auch große und visionär erscheinende Projekte sind ohne weiteres sozial gerecht finanzierbar, wenn der politische Wille da ist. Insgesamt belaufen sich die Kosten auf bis zu 18 Milliarden pro Jahr.  Das ist viel Geld, aber weniger, als an vielen anderen Stellen falsch eingesetzt wird. Daraus erwachsen Spielräume für die Finanzierung:

  • 8 Mrd.: Subventionen für Diesel-Technologie streichen.
    Wenn die Diesel-Steuervorteile beim Kraftstoff wegfallen, hat der Staat jährliche zusätzliche Steuereinnahmen von 8 Milliarden Euro.
  • 4 Mrd.: In die Zukunft investieren statt „Schwarze Null“.
    Aus den laufenden Haushaltsüberschüssen werden 4 Milliarden Euro in den Ausbau der ökologischen Mobilitätsinfrastruktur investiert.
  • 4 Mrd.: Sonderabgabe zur Verbesserung der Luftqualität.
    Zur Finanzierung weiterer 4 Milliarden Euro für den Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur wird eine 5-jährige Sonderabgabe der Automobilindustrie eingeführt, zweckgebunden als „Abgabe zur Verbesserung der Luftqualität“.
  • Dazu kommen Einspareffekte durch wegfallende Kosten für Kontrollen und Ticketverkauf. Im Bundesdurchschnitt beläuft sich der Aufwand für Kontrolle und Vertrieb auf sechs bis acht Prozent der Netto-Fahrgeldeinnahmen.
    Die wegfallenden Arbeitsplätze bei Kontrollen und Ticketverkauf werden durch mehr Personal bei den FahrerInnen, in der Betreuung von Fahrgästen, in Aufrechterhaltung und Ausbau der Infrastruktur mehr als ausgeglichen.

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2 Kommentare zu „Parteivorstandsbeschluss: Schritt für Schritt zum kostenfreien ÖPNV”

  • Übrigens gilt das nicht nur für „die“ Lidl-Verkäuferin! Die ganzen kleinen Handwerker mit ihren Sprintern, Ducatos und wie sie alle heißen: Sie können sich einen Sofort-Umstieg meist nicht leisten, die Fahrzeuge sind eher auf eine Nutzungsdauer von sieben bis zehn Jahren (wenn nicht länger) ausgelegt.

  • Stefan Dreher sagt:

    8 Milliarden Dieselsubventionen quasi sofort streichen, also wird der Diesel schlagartig ca. 20 Cent pro Liter teurer:
    Da sehe ich die alleinerziehende Lidl-Verkäuferin in Dettensee, die sich einen gebrauchten Diesel wegen der geringen Spritpreise zugelegt hat, weil sie das Kind in die Kita in Mühringen fahren muss und in Empfingen arbeitet. Die Orte kennt Ihr nicht? Das ist aber mal so im „ländlichen Raum“, wo es auch in 15 Jahren keinen „passgenauen“ Bus geben wird.
    Klar: Den Konzernen ist das egal: Die erneuern ihre Flotten quasi jährlich und setzen die Spritkosten steuerlich ab.
    Deshalb müssen auch hier Übergangsfristen her. Und: Die Verkäuferin wird sich auch in zehn Jahren kein E-Auto kaufen können.

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