DIE LINKE. nach dem Göttinger Parteitag – eine Einzelmeinung

von Stefan Dreher

Fakt ist, dass das Rededuell zwischen Gregor Gysi und Oskar Lafontaine dem Parteitag Raum geschaffen hat: Beide eröffneten den Blick in die Hölle der Spaltung. Und Klaus Ernst führte vor Augen, wie die Republik aussieht ohne uns: Siegmar Gabriel als letzter relevanter Linksaußen in Deutschland.

In diesem Raum konnte der Parteitag tatsächlich eine vorsichtige Diskussion beginnen und führen, die über die „Lager“grenzen hinweg möglich wurde. Als Beobachter aus der Perspektive der Antragskommission beobachtete ich im Vorfeld der Wahlen der Parteivorsitzenden die Aufrüstung beider Seiten. Erst mit den Reden begann die Möglichkeit, entspanntere Gedanken zuzulassen. Wenn man so will: Sollte die Redeschlacht zwischen Gysi und Lafontaine abgesprochen gewesen sein, dann wäre das die Genialität per se gewesen: Dem Parteitag vor Augen führen, was passierte, wenn der Parteitag versagt.

Allerdings kam dann die Wahl Riexinger oder Bartsch. Und da die Möglichkeiten Barxinger oder Rietsch nicht zur Verfügung standen, war es eben eine Wahl, bei der nur einer gewinnen konnte. Die „Freudengesänge“ der Stuttgarter waren verständlich. Dass sie andererseits als „Triumphgeheul“ wahrgenommen wurden, ebenso.

Die anstehende Bundestagswahl diszipliniert und deckt nun viele Gräben zu. Dass Bernd Riexinger allerdings in diesem Raum die Möglichkeit nutzen wird, aktiv daran zu arbeiten, die Partei zusammen zu führen, steht für mich außer Frage. Und er macht es gut. Die giftigste Presse ist ja die SPD-nahe, also die FR und die Süddeutsche. Und beide versuchen sie sich an Riexinger, der weder Porsche fährt noch asketisch lebt, der klar sagt, dass er NICHT für den Bundestag kandidiert, der viele Nagelproben besteht ohne sich gleichzeitig anzubiedern. Er agiert, wie wir ihn kennen. Vielleicht ist auch seine medial unverbrauchte Art für viele überraschend.

Anyway: Fakt ist, dass große Teile der Partei zeitlebens, also 40 oder 50 Jahre lang Opposition kennen, überzeugt aber nicht immer erfolgreich für Frieden, Gerechtigkeit und das Wohl „der“ Arbeiterklasse eintraten, oft zermürbt durch die Arroganz der Macht, oft enttäuscht durch die Wähler, angefressen durch die Unterstellungen durch Linksradikale, „Arbeiterverräter“ zu sein, Betriebsräte, die seitens des Rationalisierungswahns der Geschäftsleitungen ständig der „neuen Sau durchs Dorf“ hinterherjagen. Ja, da gibt es Berufsverbote-Opfer, die gegen die Ausbürgerung Biermanns protestierten und damals von den gleichen DKP-Genossen gemobbt wurden, die ihnen heute (zwischenzeitlich zur SPD konvertiert) den Verfassungsschutz in die Telefonleitung jagen.

Und Fakt ist, dass große Teile der Partei ihren politischen Alltag in kommunalpolitischen Entscheidungen zwischen Klärwerken und Radwegen verbringen, die angespannt nach Lösungen um einen Sozialtarif für die Kita suchen: Rad im Getriebe des parlamentarischen Alltags fernab der Opposition auf der Straße.

Bernd Riexinger hat in den ersten sieben Wochen seiner Amtszeit schon bewiesen, dass er die Partei zusammenbringen kann. Seine Erfahrung in der Kommunalpolitik aus Sicht eines ver.di-Bezirksleiters wird manche „im Osten“ überraschen. Allerdings: Auch ehemalige Demarkationslinien durch unsere Partei liefen nicht zwischen Ost und West . . .