Tarifabschluß in privaten Busunternehmen Baden-Württembergs: Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Angleichung der Löhne und Gehälter an Niveau in kommunalen Betrieben erreicht

Von Mirko Knoche, Junge Welt
Erst im November hatten die Beschäftigten der kommunalen Ve

Erst im November hatten die Beschäftigten der kommunalen Verkehrsbetriebe im »Ländle« einen neuen Manteltarif durchgesetzt – jetzt gaben die privaten Firmen dem Druck der streikbereiten Fahrer nach
Foto: dapd

Alle Räder standen still. Die Fahrer im privaten Omnibusgewerbe Baden-Württembergs hatten an mehreren Warnstreiktagen die Busse im Depot stehenlassen – und konnten so einen neuen Manteltarif mit besseren Arbeitsbedingungen und mehr Geld erkämpfen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) gab am Freitag abend (nach jW-Redaktionsschluß) die Einigung mit dem Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) bekannt. Ein unbefristeter Streik in mehreren Verkehrsverbünden ist somit abgewendet.

Die Gewerkschaft hatte bis Freitag ein Ultimatum an die Bosse gestellt und konnte schließlich fast alle Forderungen der Fahrer gegen die Omnibusunternehmer durchsetzen. Ver.di-Verhandlungsführer Rudolf Hausmann erklärte: »Wir machen einen großen Schritt in die richtige Richtung – hin zu einer Angleichung der Arbeitsbedingungen bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern im Nahverkehr.« Außerdem gelten künftig für alle WBO-Beschäftigten die gleichen Löhne und Gehälter wie im öffentlichen Dienst. Erst im November hatten die Bus- und Straßenbahnfahrer von acht kommunalen Verkehrsbetrieben nach einem mehrtägigen Arbeitskampf einen deutlich verbesserten Manteltarifvertrag abgeschlossen.

Die Einigung mit den privaten Busunternehmen sieht vor, daß künftig für die Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub Überstunden eingerechnet und gesundheitlich bedingte Fehltage nicht mehr abgezogen werden. Fortbildungen werden ab sofort von der Firma bezahlt – sowohl die Kursgebühren als auch die ausfallenden Arbeitsstunden.

Außerdem wird die Fahrerhaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Die Haftpflichtversicherung für leichte Fahrlässigkeit wird vom Unternehmen bis zu einer Höhe von 25 Euro erstattet. Für diese Summe können sich nur ver.di-Mitglieder bei der Gewerkschaftlichen Unterstützungsvereinigung (GUV/Fakulta) versichern. Nichtmitglieder müßten viel teurere Privatverträge abschließen. Dies bedeutet faktisch eine Besserstellung von Gewerkschaftern.

Ver.di hatte für die WBO-Angestellten einheitlich 30 Tage Urlaub gefordert. Dem neuen Manteltarif zufolge gilt das künftig ab drei Jahren Betriebszugehörigkeit. Ebenfalls nach drei Jahren bekommen alle Fahrer den gleichen Lohn. Auch ein höheres Weihnachtsgeld konnte die Gewerkschaft den privaten Busbetrieben abringen.

Streikleiter Hausmann hatte sich in den vergangenen Wochen überrascht über den Kampfesmut seiner Kollegen gezeigt. Sowohl eine derart hohe Beteiligung an Warnstreiks als auch ein fast 98prozentiges Votum für den Ausstand, wie in der Urabstimmung Ende Februar erreicht, habe er im Privatgewerbe in mehreren Jahrzehnten gewerkschaftlicher Tätigkeit noch nicht erlebt. Hausmann führt die hohe Streikbereitschaft auf den Frust der Beschäftigten über jahrelange Reallohneinbußen zurück.

In tariflichen Auseinandersetzungen sind die Bus- und Straßenbahnfahrer der kommunalen Betriebe erfahrener. Auch bei ihnen hatte sich viel Unmut angestaut, weil sie seit der Umgruppierung aus dem früheren Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in den heutigen Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) gegenüber weniger streikbereiten Verwaltungsangestellten benachteiligt waren. Im letzten Herbst konnten sie mit wenigen eintägigen Arbeitsniederlegungen bei 100prozentiger Beteiligung einen neuen Manteltarif durchsetzen, der ihnen die Möglichkeit gibt, ab 2014 eigene Verträge auszuhandeln.

Einige der jetzt im Omnibusgewerbe erreichten Verbesserungen gelten auch im öffentlichen Sektor erst seit November. Die Angleichung der privaten Tarifverträge an das Niveau bei den kommunalen Betrieben vollzieht sich in Baden-Württemberg aktuell viel schneller als noch 2010 in Schleswig-Holstein. Dort waren die Fortschritte nach einem langen Arbeitskampf geringer.