Stuttgarter Zeitung: Insolvenzverwalter spricht in Stuttgart vor

Schlecker
Damit Transfergesellschaften gebildet werden können, soll Baden-Württemberg für Ausgaben bürgen.
Von Philipp Scheffbuch
Der Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hat gestern mit Vertretern des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums Möglichkeiten zur Unterstützung einer Transfergesellschaft durch die Landesregierung
erörtert. Eine Transfergesellschaft verfolgt das Ziel, von Arbeitslosigkeit bedrohte Mitarbeiter im Rahmen einer befristeten Beschäftigung in einen neuen Job zu vermitteln.

Wie berichtet sucht Geiwitz Bürgen, um die auf Schlecker entfallenden Kosten der Errichtung von Transfergesellschaften per Bankkredit finanziert zu bekommen. Bundesweit dürfte sich der Mittelbedarf
hierfür auf 70 Millionen Euro belaufen. Nach StZ-Informationen hat Geiwitz der Landesregierung gestern keine zu beziffernde Anfrage gestellt, sondern allgemein den Wunsch einer Beteiligung geäußert.

Der Insolvenzverwalter wartet in den kommenden Tagen auf die Entscheidung der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), bei der er schon einen konkreten Antrag auf eine Ausfallbürgschaft gestellt haben soll. Zudem war er am Dienstag bei der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit demselben Anliegen vorstellig geworden. Das Stuttgarter Wirtschaftsministerium betonte gestern, dass es für eine etwaige Bürgschaft für die Transfergesellschaft bisher keine Zusage gegeben habe. Aus dem Umfeld des Ministeriums ist zu hören, dass Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) durchaus bewusst sei, dass die Bürgschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit fällig werde und es sich auf mittlere Frist wohl um einen staatlichen Zuschuss handeln dürfte.

Das insolvente Unternehmen Schlecker soll sich nach den Plänen des Insolvenzverwalters an den Kosten einer Transfergesellschaft anscheinend nicht beteiligen. Das ist überraschend, spart das Unternehmen bei Überstellung von bis zu 12 000 Mitarbeitern in Transfergesellschaften in der Summe doch alleine rund 35 Millionen Euro an gesetzlich vorgeschriebenen Abfindungszahlungen. Zudem würde Schlecker auf diese Weise teure gerichtliche Auseinandersetzungen infolge von betriebsbedingten Kündigungen aus dem Weg gehen.

In den Filialen fehlt es derweil nach wie vor an Verkaufsartikeln. Keine Gummibärchen, kaum Schokolade, nur wenige Kosmetika – Schlecker-Kunden blicken vielerorts in leere Regale und das, obwohl der Insolvenzverwalter 95 Prozent der Lieferanten die Zusage abgerungen hat, wieder alle Bestellungen auszuliefern. „Es ist auffällig, dass einige nur sehr zögerlich und in kleinen Mengen liefern“, sagt ein Insider.

Trotz der Zusage des Insolvenzverwalters, die gelieferten Waren auch zu bezahlen, herrscht bei den Herstellern anscheinend großes Misstrauen. Gehören die Lieferanten doch zu den mit Abstand größten Gläubigern des insolventen Unternehmens. In der Bilanz 2010 wies Schlecker Verbindlichkeiten an Lieferanten in Höhe von mehr als 600 Millionen Euro aus. Insolvenzverwalter Geiwitz hat inzwischen allen Regionen im Bundesgebiet übermittelt, welche 2400 Filialen nach Einschätzung der beauftragten McKinsey-Wirtschaftsberatern geschlossen werden sollen. Die Betriebsräte können bis Mitte nächster Woche ihre Bedenken äußern. Die Schließung einer Filiale führt nicht automatisch zur Kündigung der dort eingesetzten Mitarbeiter. Der Abbau der insgesamt 12 000 Stellen richte sich ausschließlich nach einem noch auszuhandelnden Sozialplan, betonte Geiwitz gestern. Am kommenden Dienstag wird weiterverhandelt.
„Bei uns sollen 18 von 31 Läden geschlossen werden“, berichtete die Stuttgarter Schlecker-Betriebsrätin Vasiliki Singh nach Erhalt der Listen gestern Nachmittag. Die einzelnen betroffenen Standorte wollte sie noch nicht nennen.

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DEMO DER MITARBEITER

Treffen Rund 200 Schlecker-Mitarbeiter haben sich am gestrigen Vormittag im Stuttgarter Gewerkschaftshaus getroffen, um sich über die Situation auszutauschen. „Wir wissen nicht, was wir von Transfergesellschaften halten sollen“, sagte die Betriebsrätin Vasiliki Singh.

Viele Mitarbeiter seien verunsichert gewesen und hätten viele Fragen gestellt, die ihnen nicht beantwortet werden konnten. Kundgebung Nach einem anschließenden Protestzug der Mitarbeiter zum Stuttgarter Schlossplatz sagte die baden-württembergische Sozialministerin Petra Altpeter (SPD), die Landesregierung sei bereit, ihren Beitrag zur Lösung zu leisten. Sie fordere aber ein, dass die Bundesregierung mit den anderen Bundesländern ebenfalls dazu beitrage. phs