Heidi Scharf: Die wenigen rechten Betriebsräte richten großen Schaden an. Strategie der Faschisten und Gegenwehr

Die AfD wurde 2013 gegründet, ist also gerade mal 6 1/2 Jahre alt. Mittlerweile sitzt sie in allen Landtagen, im Bundestag und im Europaparlament. Im Osten droht, dass sie z.B. im Herbst in Sachsen stärkste Partei bei der Landtagswahl wird. Gegründet
wurde sie als erzkonservative neoliberale Wirtschaftspartei. Davon ist heute
fast nichts mehr vorhanden. Mittlerweile strebt der „Flügel“ die rechtsradikale
Mehrheit um Björn Höcke an.

Durch diese Höhenflüge wurde auch die Strategie weiterentwickelt sich nicht nur in den Parlamenten sondern auch in den betrieblichen Interessenvertretungen zu etablieren. Dort befindet sich für sie ansprechbares Potential. Dies haben auch die Wahlergebnisse gezeigt. Die AfD wird mehr von Arbeiter*innen gewählt als sie bei Wahlen insgesamt erreichen.



Bereits in
den 60er Jahren und auch Ende der 90er Jahre gab es Untersuchungen wie hoch das
rechtsextremistische Einstellungspotential in der Bevölkerung ist. Richard
Stöss (Berliner Parteienforscher) kam 1998 zu dem Ergebnis, dass dies 13 % der
Bevölkerung sei. Die Zahl der Menschen mit rechtem und rassistischem Weltbild,
aber eben noch keinem rechtsextremen, war und ist noch höher.

Bei der
Bundestagswahl 2017 wählten 19 % der Arbeiter AfD; bei der Landtagswahl in BaWü
lag der Anteil noch wesentlich höher; in Sachsen-Anhalt gar bei 35 %. In beiden
Ländern lag die AfD damit bei den Arbeitern mit weitem Abstand vor allen
anderen Parteien.

Das heißt
nicht nur in der Zivilgesellschaft, auch in der Arbeitswelt findet der Rechtspopulismus
einen Nährboden. In dem Buch „Rechtspopulismus und Gewerkschaften“ wird ein
differenziertes Bild über den Auftritt des Rechtspopulismus in den Betrieben
dargelegt. Es reicht von der vorsichtigen Äußerung von Befürchtungen und
Ängsten gegenüber Geflüchteten über deutliche fremdenfeindliche und
rassistische Statements oder in den sozialen Medien bis zu offenen
AfD-Aktivitäten und zur Infiltration der betrieblichen Interessenvertretungen.
Mit den Flüchtlingen haben Teile der Belegschaften einen Sündenbock für die
eigenen sozialen Nöte und Ängste gefunden.

Um nur
einige der Ängste zu benennen:

Verlagerungen,
outsourcing, Personalabbau, prekäre Beschäftigung, Befristungen, ständig
steigender Leistungsdruck, Angst vor Veränderungen und Entlassung etc.

Für das
Erstarken rechtspopulistischer und -extremistischer Einstellungen gibt es also
auch einen arbeitsweltlichen Nährboden.

Hinzu kommt,
dass Rechte im Betrieb nicht den Arbeitgeber angreifen sondern die Betriebsräte,
die schon länger im Amt sind, die sog. Co-Manager, die hinter verschlossenen
Türen verhandeln. Sie selbst stellen sich als Vertreter des „kleinen Mannes“
dar.

Bei der
BR-Wahl im letzten Jahr sind dann auch rechte Listen angetreten, insbesondere
in der Automobilindustrie. Bei Daimler UT sitzt die Keimzelle dieser rechten
Entwicklung. Die Gruppe „Zentrum Automobil“ hat dort einen Wähler*innenanteil
von 13,2 Prozent.

2018 hat die
Gruppe „Zentrum Automobil“ auch in der Daimler Zentrale (0 Sitze), in Untertürkheim
(13,2 % und 6 Sitze), Rastatt (0 Sitze) und Sindelfingen (3,4 % und 2
Sitze)  sowie bei der Daimler-Tochter AMG
kandidiert. Auch im BW-Werk Leipzig (12 % und 4 Sitze), Porsche Leipzig (6 %
und 2 Sitze) und bei Opel Rüsselsheim (1 Sitz für einen Rechten) gab es Listen
und zu Audi wird Kontakt gehalten – dort gab es dann aber keine Liste.

Erfolge
haben sie also nirgends richtig erzielen können.

Es gibt rund
180.000 Sitze in rund 28.000 privaten Betrieben. Davon haben sie ca. 25 Sitze
ergattert.

Trotzdem
bedroht diese Entwicklung die Gewerkschaften von innen. Das Weltbild von AfD,
Pegida etc. wird wie mit einer Giftspritze in die Belegschaften gesprüht und
erreicht auch Kolleginnen und Kollegen, die gewerkschaftlich organisiert sind.

Die
führenden Akteure haben eine eindeutig rechtsextreme Biografie.

Oliver
Hilburger – Betriebsrat bei Daimler Untertürkheim – war 17 Jahre lang Bassist
und Gitarrist der Neonazi-Band „Noie Werte“. Er unterhielt Kontakt zu
Terrorverdächtigen. Als Betriebsrat hatte er bereits Erfahrungen gesammelt, saß
er doch bereits seit 2006 im Betriebsrat über die Liste des „christlichen“ CGM.

Der
Schatzmeister von „Zentrum Automobil“, Hans Jaus, war früher
Bundesschatzmeister der Wiking-Jugend, die 1994 verboten wurde. Er kandidierte
auf Platz 3.

Der Jenaer
Sozialwissenschaftler Klaus Dörre, der seit Jahren zu Gewerkschaften und der politischen
Einstellung  ihrer Mitglieder forscht,
stellt fest: „Diese Listen sind in der äußersten Rechten verankert.“

Hilburger
zählt auch zum Fanclub von Björn Höcke und … Elsässer. Kontakt gibt es auch zu
Philip Stein, Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft und führender Kopf
des neurechten Vernetzungsprojekts „Ein Prozent“, das die Kampagne „Werde
Betriebsrat“ gestartet hatte.

Gezielt
versuchen rechte Betriebsrät*innen Konflikte und Arbeitskämpfe von
Beschäftigten für sich zu instrumentalisieren.

So geschehen
bei Siemens in Görlitz, Mahle Öhringen, Würth Künzelsau/Gaisbach. 

Bisher
konnte dies weitestgehend verhindert werden, die Beschäftigten ließen sich
nicht vor ihren Karren spannen.

Das Ergebnis
bei den BR-Wahlen war dann auch entsprechend mager. Aber es gibt sie und es
sind mehr geworden.

Für die IG
Metall bedeutet dies weiterhin, sehr wachsam zu sein und weiter Aufklärung zu
betreiben.

Es gibt ja
weniger Angriffe von Außen auf die Gewerkschaften sondern sie kommen von Innen.
Es gibt BR, auch Vorsitzende, die von ihren Belegschaften trotz oder weil sie
AfD-Aktivisten sind gewählt werden (z.B. in einem Metallbetrieb in Ostbayern,
der BR-Vorsitzende sitzt jetzt im Landtag). Es gibt Mitglieder von
Delegiertenversammlungen, die sich auf den Standpunkt stellen: „Die
Gewerkschaften sollen sich endlich politisch neutral verhalten“ oder „sie
sollen nicht mehr gegen rechts mobilisieren, schließlich sei die AfD legitim
gewählt“ und „sie solle keine Unterstützung mehr für Geflüchtete leisten“.

Durch diese
Neue Rechte wird antifaschistisches Denken und Handeln abgelehnt ebenso
Internationalismus. Solidarität soll nur für Deutsche gelten.

Aber es gibt
auch Positionen wo sich Rechte und Linke treffen.

So
kritisieren z.B. viele Linke die korrupten Bosse der Gewerkschaft und der
Betriebsräte. Betriebsräte würden mauscheln, ihre Kolleginnen und Kollegen
verkaufen. Sie würden hinter verschlossenen Türen über die Köpfe der
Belegschaften hinweg Deals zum Schaden der Kolleg*innen abschließen.

Zentrum
Automobil setzt sich in ihrer Zeitung „Kompass“ mit dem „korruptionsanfälligen
Co-Management“, der „Vetternwirtschaft“ und den „Mauscheleien“ auseinander. Es
gibt keine Kritik am Unternehmen selbst und der Wirtschaft allgemein, sondern
es wird auf die Globalisierung, auf Kapitalspekulationen und auf einem
überbordenden Sozialstaat abgehoben. An der Sozialstaatsfrage und der Kritik am
Kapitalismus trennen sich dann auch die Geister. Daran wird deutlich, dass es
diesen Betriebsräten nicht um eine Auseinandersetzung mit der Gegenseite geht
sondern darum einen Keil in die Belegschaft zu treiben und damit das Geschäft
der anderen Seite zu betreiben. Die Arbeitgeber hindert ein Schwenk nach rechts
und an einer Zusammenarbeit mit rechten Betriebsräten im Augenblick nur, dass
sie im Zuge ihrer internationalen Handelsbeziehungen und
Auslandsniederlassungen keinen Nationalismus brauchen können und damit auch
kein Erstarken der AfD und ihrer Anhänger in den Betrieben. Aber dem Kapital
ist ein schwacher Betriebsrat natürlich lieber als ein klassenkämpferischer.

Für rechte
Betriebsräte besteht der Gegensatz also weniger zwischen oben und unten, zwischen
Kapital und Arbeit, sondern zwischen innen und außen: Deutsche Werke, deutsche
Arbeiter und die deutsche Volkswirtschaft stehen im Mittelpunkt ihres Denkens
und Handelns. Dies muss gegen die Globalisierung verteidigt werden.

Dass die
deutsche Wirtschaft Jahr für Jahr einen enormen Handelsbilanzüberschuss
erzielt, dass heute eine Volkswirtschaft sich nicht mehr abkapseln kann, wird
dabei völlig ausgeblendet.

Nun was können wir als GewerkschafterInnen tun?

o          wir dürfen uns nicht scheuen die Themen auch in der
betrieblichen                                Öffentlichkeit
anzusprechen

o          Klare Kante und
offene Tür

o          Wir als VertreterInnen der Gewerkschaften vertreten
offensiv unsere                 Grundwerte
Solidarität, Internationalismus und Antifaschismus

Das allerbeste Mittel ist

o          wir machen als Betriebsräte eine gute interessenbezogene
geradlinige              Arbeit – z.B.
bei geplanten Personalabbau, bei Outsourcing, bei der Ver                      besserung der
Arbeitsbedingungen

o          wir sind diejenigen, die sich mit dem Kapital und deren
Vertretern im                Betrieb anlegen,
wir wollen mitbestimmen wieviel Profit gemacht wird,                       wie dieser eingesetzt wird, was, wann, wieviel
und wo produziert wird

o          wir machen Druck, damit endlich wieder eine Verteilung von
oben nach                        unten passiert –
durch höhere Einkommen, weniger Arbeitszeit etc.

o          wir kämpfen für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für
feste                                Arbeitsverträge,
ausreichenden Lohn und gute Renten

Dazu brauchen wir aber ein
politisches Fundament, in den Köpfen und Herzen unserer FunktionärInnen
und Kolleginnen und Kollegen, das aufzeigt/lehrt/vermittelt wo die unterschiedlichen
Interessen zwischen Kapital und Arbeit sind.

Dafür kann jede und jeder von
uns etwas tun, tagtäglich in- und ausserhalb der Gewerkschaft!

Heidi Scharf,
Mitgliederversammlung B&G, Reutlingen 27.7.2019