Der Kampf geht weiter

Laura Meschede zum Internationalen Frauentag (aus der Jungen Welt)

Frauenrechte – eine wichtige Sache.
Da sind sich alle einig: die Politik, die Medien, die Wirtschaft. Und daher ist
auch der Frauentag in Deutschland ein wichtiger Tag. Sogar für die Kanzlerin.
»Der Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen geht weiter«, hat sie letztes
Jahr am 8. März in einer Rede verkündet. Eine Rede, in der sie sich explizit an
die Frauen gewandt hat, wegen, na ja, des historischen Datums. Gewundert hat
das niemanden. Die Bundeskanzlerin ist schließlich eine Frau.

Dabei müsste die Tatsache, dass eine
der mächtigsten Frauen der Welt den Internationalen Frauentag für eine gute
Sache hält, eigentlich durchaus verwundern. Denn historisch war dieser Tag
mitnichten ein Feiertag für die Mächtigen. Dass es überhaupt einen Frauentag in
Deutschland gibt, ist Verdienst einer Kommunistin: Clara Zetkin. Und dass
dieser Tag international am 8. März begangen wird, haben etwas später auch die
Kommunistinnen festgelegt: um an den Streik der Textilarbeiterinnen in Russland
zu erinnern, der als Beginn der Februarrevolution gilt. Frauenkampf, das war
für die, die den Frauentag begonnen und etabliert haben, Klassenkampf von
unten. Und damit das Gegenteil von dem, was eine Bundeskanzlerin wollen kann.

Wenn heute an die Ursprünge des
Frauentages erinnert wird, dann fast immer selektiv: Die SPD beispielsweise
denkt gerne daran, wie SPD-Mitglied Clara Zetkin den Tag als Kampftag für das
Frauenwahlrecht etabliert hat – und weniger gerne daran, dass dieses »der
sozialistischen Auffassung gemäß« verwirklicht werden sollte, was soviel hieß
wie: im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Kapitalismus. Oder daran, dass
Clara Zetkin wenig später die SPD verlassen hat, weil der Parteiführung
ebendiese sozialistische Auffassung flötengegangen war.

Man könnte diese Geschichten als
historisches Gewäsch abtun und sich darüber freuen, dass Frauenrechte endlich
in der vielzitierten »Mitte der Gesellschaft« angekommen sind. Aber so einfach
ist es nicht. Denn an den meisten der Veränderungen, die es bräuchte, um die
Situation der lohnabhängigen Frauen zu verbessern, haben die Mächtigen schlicht
kein Interesse. Der Hauptgrund für den geringeren Verdienst von Frauen
beispielsweise ist die unbezahlte Sorgearbeit: Frauen arbeiten Teilzeit, um
sich um ihre Kinder oder pflegebedürftigen Eltern zu kümmern. Weil es nicht
genügend Kitaplätze gibt und weil Pflegeeinrichtungen zu teuer sind. 73 Prozent
aller Pflegebedürftigen werden in Deutschland zu Hause versorgt. Weil vor allem
Frauen diese Arbeit machen, verdienen sie weniger Geld. Sie geraten in die
ökonomische Abhängigkeit von Männern und bekommen weniger Rente.

All das ist bekannt. Aber: Mit
»Feminismus«, mit Frauenkampf, wird der Kampf gegen diese Probleme heute kaum assoziiert.
Statt dessen werden als Feministinnen schwerreiche Promis wie Beyoncé oder
Michelle Obama präsentiert und über die Zahl der weiblichen CEOs diskutiert. Da
kann sich dann auch eine Bundeskanzlerin einreihen. Es ist an der Zeit, das zu
ändern. Die Mächtigen haben die Frauenbewegung gekapert. Zeit, sie sich
zurückzuholen. Der 8. März ist ein guter Tag für Frauen, um zu kämpfen. Als
Bewegung – und um die Bewegung. Der Kampf gegen die Ausbeutung von Frauen geht
weiter.